Beratungspraxis

Beispiele:

Guten Tag, Herr Pfarrer Scheidegger,

im Internet habe ich Ihre Seite gefunden. Ich bin auf der Suche nach einem Thema, das mich momentan sehr beschäftigt und ich erhoffe mir Ihre Antwort.

In meinem engeren Kreise ist jemand ins Kriya Yoga gerutscht, fühlt sich dafür berufen, hat dort seine momentane Verwirklichung gefunden - ich hoffe, ich habe es einigermassen gut beschrieben? Bei Ihnen läuft Kriya Yoga unter der Rubrik "Hinduistische Tradition".

Ich und wir, sehen einen sektenähnlichen Charakter, eine Abhängigkeit, die uns sehr beängstigt. Die Person ist nur noch in dieser Kriya Welt unterwegs, sie hat in vielem den Kontakt zur weltlichen Welt verloren, wird dazu angehalten sich nur noch in diesen Kreisen zu bewegen.

Können Sie mir sagen (schreiben) wobei es sich bei dieser Kriya Yoga Vereinigung handelt? Kennen Sie diese Vereinigung? Haben Sie damit Erfahrungen?
Wann fängt eine Sekte an? Wann ist etwas unter religiös einzustufen?

Ich weiss, dass jeder Mensch für sich selber verantwortlich ist. Und ich möchte auch keinen Menschen verändern. Aber ich möchte verstehen!

Ich hoffe sehr, dass Sie die Zeit finden, mir zu antworten.

Ihnen alles Gute

 

Guten Tag,

Das Problem haben Sie gut beschrieben. Menschen suchen Erfüllung, den Sinn des Lebens, Antworten auf bedrängende Fragen. Da beginnt die religiöse, spirituelle Suche. Yoga ist der spirituelle Weg des Hinduismus und ist in verschiedenen Variationen zu finden. In den östlichen Traditionen ist es so, dass als Lehrer und Hilfe für den spirituellen Weg ein Guru dem Suchenden zur Seite steht.

Hier nun beginnen die Fragen und Probleme. Westliche Sucher haben ein anderes Verständnis und Verhältnis zu den Guru-Traditionen als die östlichen Sucher. Während im Osten diese Bindung, welche eine Abhängigkeitsbindung ist, immer wieder aufgelöst werden muss, bleiben westliche Sucher oft in der Abhängigkeit einer solchen Bindung stecken.
Hinzu kommt, dass der Yoga-Weg anders als der christliche Weg, darauf ausgerichtet ist, die Welt als Trugbild, als Maya, d.h. als zu überwindende Grösse zu verstehen und zur Ablösung aus dieser materiellen Existenz führen will.

Sie sehen, die Beeinflussung ist also immer vorhanden. Eine Einordnung des Angebots in "Sekte" oder nicht, hilft nicht weiter. Es müsste viel mehr das Bedürfnis des suchenden Menschen ins Blickfeld gerückt werden. Welche Lebensfragen hat der Mensch? Welche Sinnprobleme will er lösen? Erst wenn man ihn vor seinem persönlichen Hintergrund verstehen kann, kann man allenfalls auch sehen, weshalb ihm gerade dieses Angebot so entspricht.

Leider ist es so, dass die östlichen Traditionen, welche zu uns in den Westen kommen, hier mit viel mehr Abhängigkeitsproblematik einhergehen, als sie dies im Osten tun. Wesentlich ist oft auch, dass die Sucher aus irgend einem Grund eben die christliche Tradition als unbefriedigend oder verletzend erfahren haben und sich dann viel zu kritiklos der andern neuen Tradition ergeben.
Verstehen können Sie die Situation vielleicht etwas besser, wenn Sie ein Buch über den Hinduismus und seine Philosophie lesen. Und dann gilt es eben, die östliche Religiosität und die Westliche in ihrer je eigenen Tradition und Entwicklung zu verstehen. Und wenn jemand von der einen grossen Denkweise in die andere wechselt, dann ist das meist mit einer tendenziell fundamentalistischen Form verbunden - denn das Neue muss ja das ersetzen, was nicht mehr hält, was es versprochen hat.

Mit freundlichem Gruss
Martin Scheidegger

 

Guten Tag Herr Pfarrer Scheidegger,

vielen Dank für Ihre Mail und für Ihr Bemühen.

Auch wenn ich zugeben muss, das mich Ihre Worte sehr nachdenklich gemacht haben.

Ich denke, der Glaube ist in jedem Leben das Wichtigste, was ein Mensch besitzen kann. An was er glaubt, möchte ich nicht in Frage stellen, das möchte ich jedem Einzelnen selber überlassen.

Aber ich denke, wie Sie auch schreiben, sucht jeder Mensch nach seinem Lebenssinn. Schade wenn manche Menschen dafür sich so weit von weltlichen Dingen entfernen. Aber für mich sieht es so aus, als wenn dies das Ziel der Kriya Yoga Organisation ist. Die Menschen von ihrem eigentlichen Leben zu entfremden, damit sie sich ganz dem "Glauben" zuwenden.

Wie kann ich, bzw. sehen Sie eine Möglichkeit die Menschen zu erreichen. Es liegt mir fern, einen Menschen beeinflussen zu wollen. Aber dennoch ist es schwer zu sehen, was und wie der Mensch durch den Glauben eingenommen wird. Jedes Wort des Gurus wird für wahr gehalten, es gibt auf einmal keine andere Wahrheit mehr. Der Glaube ist so wichtig geworden, dass alles Andere zu verblassen scheint. Und ich bin gezwungen zuzusehen.

Kann ich etwas tun?

Für Ihre Mühe und Hilfe möchte ich mich ganz herzlich bei Ihnen bedanken.

 

Guten Abend,

Es ist natürlich so, dass unsere christliche Tradition, wenn wir sie ernst nehmen, uns einlädt, die Präsenz Gottes eben gerade in diesem gegenwärtigen Leben zu suchen, zu entdecken und zu leben. Damit nimmt unser Glaube, richtig verstanden und gelebt, eine Haltung ein, welche sich der Welt zuwendet.
In den östlichen Traditionen ist dies natürlich nicht so. Hier ist das religiöse Empfinden eher darauf ausgerichtet, dieses leidvolle Dasein zu überwinden, hinter sich zu lassen und als nur vorläufig zu sehen. Insofern ist schon immer diese Tendenz aus westlicher Sicht mit dem Stichwort "Fatalismus" apostrophiert worden.

Nun erleben Sie einen Menschen, der sich radikal der "Weltflucht" verschrieben hat. Es ist niemals so, dass da nur die Kriya Yoga Bewegung dafür verantwortlich gemacht werden könnte. Ebenso sehr ist der betreffende Mensch, der sich wegen irgend einem Grund nicht wohl fühlt in seiner Haut oder seiner Welt, derjenige, der da möglichst von diesem existenziellen Leiden erlöst werden möchte.

Ziel ist vor diesem Hintergrund zwar nicht eine Entfremdung aber ein Bedürfnis diese als fremd empfundene Existenz (Welt) verlassen zu können (zu dürfen). Und die Bewegung von Kriya Yoga ist natürlich von ihrer Einbettung in die religiöse Tradition des Hinduismus dazu angetan, einen solchen Menschen anzusprechen.

Und dann kommt hinzu, dass viele suchende, nicht sichere Menschen tendenziell in einer Lehre Halt suchen, Halt brauchen und nur bei genauer Einhaltung sich vorstellen können, dass der Weg sie auch ans gewünschte Ziel führt. Dies führt zu einer Ideologisierung. Nicht mehr der Mensch selber sieht sich verantwortlich, sondern er muss die Lehre, die Ideologie, befolgen, wenn er ans Ziel gelangen möchte. Das ist natürlicherweise eine grosse Abhängigkeit, die krankmachend ist.

Einfach noch für Ihre Überlegungen möchte ich erwähnen, dass es in der Religionsgeschichte immer wieder solche radikalen Gruppierungen gegeben hat, auch im Christentum. Schon Jesus hat in gewissem Sinne radikale Umkehr gefordert. Lass die Toten ihre Toten begraben und folge mir nach .... und viele andere Textstellen. Dann all die monastischen Bewegungen, sich ganz dem Glauben und dem Gebet hinzugeben und in ein Kloster zu gehen ... und eben auch die Endzeitbewegungen, welche dazu auffordern, den Willen Gottes in letzter Konsequenz zu tun, so dass die Wiederkunft Christi und die endgültige Aufrichtung des Reiches Gottes endlich beginnen könne.

Sie sehen, der Glaube ist sicher etwas sehr wichtiges für die Menschen, kann aber sowohl heilsam wie auch krank machend sein.

In Ihrem Fall können Sie den Menschen dann erreichen, wenn Sie vermögen, der Person direkt zu sagen, was diese Situation mit Ihnen macht, dass es Sie traurig macht, dass Sie damit Mühe haben. Das heisst, Sie müssen es schaffen in Ich-Botschaften zu kommunizieren und nicht mit Du-Botschaften. Keine ganz leichte Aufgabe.
Ich wünsche Ihnen alles Gute.
Mit freundlichem Gruss
Martin Scheidegger



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