Beratungspraxis

Beispiele:

Christliches Zentrum Buchegg

Sehr geehrter Herr Scheidegger,

Meine Frendin nimmt seit einem Jahr verstärkt am Gemeinschaftsleben des "Christlichen Zentrums Buchegg" teil. Seit dieser Zeit beschäftigt sie sich in ihrer Freizeit hauptsächlich mit dem Studium der Bibel. Ferner hat sie ein zusätzliches Bibel-Lexikon erworben, welches gewisse Stellen und Passagen der Bibel erläutert. Mir fällt auf, dass Sie immer stärker in eine Art von Sog gerät.
Aus Interesse habe ich auf Band eine Aufzeichnung eines Predigers - welcher ja nicht ein akkreditierter Pfarrer ist - gehört und mir ein sehr kritisches Bild machen müssen. Diese Predigt hat mich sehr negativ beeindruckt; mit welcher Inbrunst, ja fast fanatischer Weise er seine Predigten in den Gottesdiensten abhält. Inhaltlich jedoch nicht einmal so übel, aber sehr ausschweifend und meines Erachtens mit sehr vielen persönlichen Interpretationen gespickt.
… Ferner nimmt sie einmal in der Woche an einem ominösen Hauskreis teil. Was dort genau Gegenstand der Unterhaltungen, Gebete und Besprechungen glaubenstechnischer Art ist, weiss ich nicht.
Ich selber bin katholisch und ebenfalls Christ, …
Nun, letzthin machte sie die Äusserung, dass ich wohl nie soweit im Glauben sein könne, wie sie es sei und aufgrund dieses "Fakts" sie unsere Partnerschaft in Frage stellen würde. Des weiteren eröffnete sie mir, dass ihr der heilige Geist gesagt habe, dass sich unsere Wege trennen sollten.
Nun habe ich schon ein paar heftige Bedenken, woher denn diese plötzlichen Anwandlungen kommen und ich vermute, dass dieses christliche Zentrum Buchegg, vielmehr jedoch noch dieser besagte Hauskreis, eine sonderbare - sektenähnliche Gruppierung darstellt, die ihre Mitglieder gezielt konditioniert und kritische Partner bewusst ausgrenzt. Da wird sehr schlau gefragt und herausgefunden, wie der Stand der Partnerschaft ist und wie denn der Partner auch sei. Ich bin mir sicher, die wissen alle mehr über mich, als mir lieb ist - und dies immer schön unter dem Deckmäntelchen der göttlichen Nächstenliebe.
Was die Kosten betrifft, so meine Freundin auf meine Anfrage; werde man nur freiwillig angehalten, 10% seines Einkommens "für die Gemeinde" zu geben, so dass sich diese in Gottes Segen vergrössern möge.
Also für mich sind die Anzeichen klar! Aber da ich nur Laie bin gelange ich mit folgenden Fragen zum obigen Sachverhalt an Sie:

Wie beurteilen Sie das Ganze? Haben Sie Erfahrungen und Informationen über dieses christliche Zentrum Buechegg? Sind Ihnen ähnliche Fälle bekannt? Sind einschlägige Beispiele ähnlicher Infiltrationen bekannt, die in Partnerschaften eingreifen etc?
Wie stellt sich die Landes-Kirche gegenüber diesem Christlichen Zentrum Buchegg?
Sind wir denn nicht alle Christen, die glauben - und - was erlauben sich diese "Glaubensbrüder", über die Intensitäten von Gläubigen zu urteilen?

Ich finde diese Haltung anmassend und blasphemisch.

Besten Dank für Ihre Bemühungen und Ihre baldige Antwort.

Sehr geehrter
Ich sende Ihnen die Information, die Frau Schaaf (Mitarbeiterin der infosekta) zur Buchegg verfasst hat. Unter http://www.relinfo.ch/spm/info.html finden Sie einen Artikel zur Tradition der Pfingstmission allgemein.

Was Sie beschreiben, ist ein immer wieder zu beobachtendes Phänomen. Ein Mensch hat bestimmte Lebens- und Sinnfragen, steckt in einer Krise und möchte für sich Antworten und Halt finden. Da liegt es nahe, den in Freikirchen gelebten verbindlichen Glauben als Möglichkeit zu entdecken.

Hier wird dann allerdings eben oft auch Ausschliesslichkeit, Fundamentalismus und Biblizismus (Bibelauslegung, die alle Texte der Bibel im Wortsinn zu verstehen behauptet) mit dem Angebot verbunden. Und ein Mensch, der sich dann bekehrt, eine persönliche Glaubensbeziehung zu Jesus aufbaut, hat normalerweise nicht die Möglichkeit und Fähigkeit, die fragwürdigen Aspekte zu durchschauen.

Hier kann nur immer wieder darauf hingewiesen werden, dass man dem suchenden Menschen nicht zu verstehen geben darf, dass er/sie nun eben in einem fragwürdigen, sektiererischen Angebot gelandet sei. Dies hat meist kontraproduktive Wirkung, da sich derjenige dann darin bestätigt fühlt, dass eben die Umwelt ihn/sie wieder vom richtigen Weg abbringen möchte.
Es kann nur darum gehen, herauszufinden, welche Grundfragen und/oder Probleme für die betreffende Person im Hintergrund stehen. Das können durchaus auch partnerschaftliche Probleme sein. Oftmals sind ja schwierige Elemente in einer Beziehung nicht ganz einfach wahrzunehmen und anzusprechen. Da kann vordergründig alles in Ordnung sein, aber hintergründig mag sich ein Partner nicht mehr wohl fühlen, zu wenig wahrgenommen in den persönlichen Bedürfnissen, etc.

Für Ihre Beziehung ist in einer solchen Situation eigentlich unabdingbar, dass Sie gemeinsam eine Partnerschaftsberatung aufsuchen und dort über die Hintergründe (Wünsche, Schwierigkeiten) ins Gespräch kommen und harausfinden, ob und unter welchen Voraussetzungen eine gemeinsame Zukunft möglich ist. Wenn Ihre Freundin zu diesem Schritt nicht mehr bereit ist, kann ich Ihnen keine grosse Hoffnung machen, dass Sie den gemeinsamen Weg noch finden können.

Es ist ja so, dass der Glaube, wie die Sexualität, zu den intimsten Bereichen des Menschen gehört. Wenn er sich dort nicht getragen und verstanden fühlt, wird er früher oder später eine Beziehung beenden. Und wenn sich dann über die Art und Weise der religiösen Betätigung Differenzen ergeben, stecken da immer auch andere Probleme dahinter. Wenn man dies miteinander nicht teilen kann, muss man sich fragen, weshalb ist das so? Weshalb ist Ihre Freundin allein auf diese Suche gegangen? Hat sie sich von Ihnen darin nicht unterstützt und getragen gefühlt?

Die fundamentalistischen Elemente eines Glaubens muss man in einer Beziehung in gegenseitigem Respekt vor der Haltung des andern erörtern können, ohne dass einer vom andern erwartet, er/sie müsste sich so ändern lassen, wie man nun selber gerade ist - das ist immer wieder eine sehr schwierige Aufgabe.

Sie können aus diesen Worten lesen, dass wir in den Landeskirchen die Engführungen selbstverständlich nicht unterstützen. Nur gibt es solche engen Ansichten und Dogmatismen auch in den Landeskirchen. Und leider sind die Menschen häufig nicht fähig, den anders Gläubigen respektvoll und mit Akzeptanz zu begegnen.
Dies ist die schwierigste Aufgabe der Glaubenserziehung, einerseits vom eigenen Weg und Glauben so überzeugt zu sein, dass man zufrieden ist damit, und andererseits die Offenheit zu entwickeln, dass jeder Mensch seinen ihm ganz eigenen Weg finden und gehen muss. Jegliche fundamentalistischen Vorstellungen und Absolutheitsansprüche sind von Übel.

Ich hoffe, Ihnen damit einige Gedankenanstösse geben zu können.

mit freundlichem Gruss

M. Scheidegger



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